"Geh' mir weg mit deiner Lösung.
Sie wär′ der Tod für mein Problem."
Es gibt da diesen einen Song von Annett Louisan "Die Lösung", den ich mir immer dann gern anhöre, wenn ich glaube, ein Problem zu haben. Die fröhlich aufgesetzte Melodie trügt beim ersten Anhören ganz gern darüber hinweg, wie tiefgründig und aufrüttelnd der Songtext ist. Bei intensiverem Hinhören und darüber sinnieren, registriere ich jedoch immer wieder eines: Bin ich überhaupt bereit, mein Problem loszulassen?
Wenn Dir jemand von seinem Problem erzählt, was genau passiert mit Dir? Gehst Du emotional komplett mit? Involvierst Du Dich gefühlsmässig, bist empathisch und mitleidend? Erinnerst Du Dich an eine Situation, die Du bereits ähnlich erlebt hast und kannst so über mitfühlen noch intensiver in die Situation geben? Oder bist Du eher der kühle Analysierer, der sofort mit einer Lösung zum Problem aufwartet? Für Dich wäre die Lösung leicht und Du wüsstest ganz genau, was es als nächstes zu tun gibt, um das Problem des anderen zu lösen. Hast Du schon erlebt, dass Du Dein Wissen und Deine Lösung mit der betreffenden Person geteilt hast, und diese wider Erwarten nicht jubelnd darauf angesprungen ist? Und nach erfolglosen Versuchen, entfernst Du Dich vom Problem - und vielleicht auch von der Person - Dich wundernd, warum Deine Lösung nicht umgesetzt wurde. "Warum geht der andere nicht mit? Meine Lösung ist doch hervorragend?"
Mein Problem braucht nicht Deine Lösung. Was oft verkannt wird, ist folgendes: Mein Problem braucht nicht DEINE Lösung. Mein Problem braucht MEINE Lösung.
Dein Problem braucht nicht MEINE Lösung, es braucht Deine eigene Lösung.
Das genau ist der Grund, warum andere Deine Lösung zwar hören, aber nicht umsetzen. Jeder ist Experte seines eigenen Lebens. Jeder darf seinen eigenen Weg gehen, um seine Probleme zu lösen.
Du selber hast alle Deine Erinnerungen und Erfahrungen gemacht und Du hast alles in Dir, um jedes Problem, dass sich Dir stellt auf die eine oder andere Weise zu lösen. Und Du wirst es auf Deine eigene Weise tun, wenn Du das willst. Es kann sinnvoll sein, sich verschiedene Meinungen über eine Thematik einzuholen. Es kann helfen, andere zu fragen, wie sie das gleiche Problem lösen würden oder gelöst haben. Aber um ehrlich zu sein, wissen wir doch ganz genau, jeder löst seine Themen auf exakt seine eigene Weise. Kein Rat kann ersetzen, dass Du in Deine eigene Erfahrung gehst.
Möchtest Du gern über Dein Problem reden?
Oder möchtest Du Dein Problem viel lieber auch wirklich lösen? Klingt provokativ? Ist es auch. Denn die Unterscheidung, ob Du nur darüber reden willst oder ob Du es auch lösen magst, ist zentral für den weiteren Verlauf des Problem. Das erste Vorgehen kümmert Dein Problem herzlich wenig. Beim es Lösen wollen, bekommt Dein Problem schon ein bisschen mehr Muffensausen. Es könnte ja sein, das es klappt. Und das wär dann der Tod für Dein Problem. Dieses krallt sich aber ganz gern an sein Dasein. Wenn Du das nächste Mal über Dein Problem sprichst, zieh Dich für einen kurzen Moment auf die META-Ebene zurück. Betrachte Dein Erzählen von Aussen. Möchtest Du nur darüber reden, oder magst Du Dein Thema ehrlich und aufrichtig lösen? Suchst Du bereits Lösungswege, um ins Handeln zu kommen oder schwelgst Du lieber in den Details zum Problem, erklärend, warum es unlösbar ist? Bedenke, ein gelöstes Problem kann ein Vakuum erzeugen. Ein Beispiel? Du hast diese eine Beziehung oder diesen Job, die so viel zu reden gegeben haben. Du hattest immer etwas zum Erzählen dazu und es wurde Dir nicht langweilig, es in allen Details zu wiederholen, nochmals aufzugreifen und nochmals durchzukauen. Nun stellt Dir vor, dieses Thema wäre plötzlich vom Tisch. Einfach in Luft aufgelöst. Worüber sprichst Du dann? Das nächste Problem? Bis keines mehr da ist? Du verstehst was ich meine.
Probleme sind wie Stricke, die an uns zerren. Nicht umsonst reden wir davon, dass wir da "in ein Problem verstrickt" sind. Hast Du Dir schon mal darüber Gedanken gemacht, dass Du diese Stricke selber festhältst? Fühlt es sich für Dich an, als wärst Du in das Problem eingewickelt, daran gefesselt auf unbestimmte Zeit? So ist es nicht. Diese Stricke, die an dir zerren, die hältst Du selber in den Händen. Vielleicht sind sie umschlungen um Deine Handgelenke, das Ziehen ist also sehr stark. Nichts destro trotz bist es Du selber, der diese Stricke festhält. Das Loslassen kann aber leicht sein. Wenn Du Dich von ganzem Herzen dafür entscheidest, es zu tun.
Wer könntest Du sein, wenn Du das Problem nicht hättest?
Wie wirst Du sein, ohne dieses Problem?
Warum denken wir so oft über "das Problem" nach und so selten darüber, wie man sich fühlen würde, wenn das Problem aufgelöst wäre? Komm mit mir auf eine Gedankenreise.
Wer könntest Du sein, wenn nichts Dich runterzieht. Keine negativen Gedanken an etwas. Wenn nichts Schweres mehr Dich belastet, wenn Dein Leben sich einfach fröhlich und leicht anfühlt. Wer bist Du dann? Was würdest Du dort erleben? Mit wem würdest Du Deine Zeit teilen? Wer in Deinem Umfeld ist auch so fröhlich, leicht und quirlig. Wer sprudelt vor Ideen und Inspiration und Leichtigkeit. Wer springt durchs Leben wie ein kühler, klarer, kleiner Bergbach? Wie fühlt sich diese Person. Und wie würde es sich für Dich anfühlen, auch in dieser Leichtigkeit zu leben?
Lies den Absatz nochmals. Vielleicht schreibst Du Dir einige Gedanken dazu auf. Und wenn Du dazu Deine Antworten gelesen hast, dann denk nochmals über das Problem nach. Wie attraktiv ist es jetzt noch, das Problem? Oder wäre das Loslassen des Problems nicht noch viel attraktiver? Vielleicht dauert Dein Weg dorthin in diese Leichtigkeit. Das macht aber nichts. Das Tempo ist egal, wenn die Richtung stimmt.
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